Ich lebte viele Jahre im Rückzug und habe immer versucht, meine Probleme alleine zu lösen. Meine Angst vor Nähe und ein Mangel an sozialen Kontakten haben mich im Laufe der Zeit krank gemacht. Es folgten viele Therapien und meine Regale bogen sich unter Unmengen von Selbsthilfeliteratur.
Mein Weg zurück zu den Menschen
Im Jahr 2019 stolperte ich zufällig über die YouTube-Videos von Gopal Norbert Klein. Das war die Wende. Ich fühlte mich erstmals wirklich verstanden und es wurde klar, dass mein Kernproblem der fehlende Kontakt zu Menschen ist. Heilung gibt es nur in Beziehung, eine Lösung für mich alleine wird es nicht geben. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich große soziale Ängste, gleichzeitig spürte ich eine große Sehnsucht dazuzugehören. Ich wusste, dass sich grundlegend etwas in meinem Leben ändern muss und dass Vermeidung mich nicht weiterbringt. Ich fühlte mich dennoch hilflos und wusste nicht, wie ich es angehen sollte.
Etwa zeitgleich entwickelte Gopal das Selbsthilfeprojekt der Lokalen Gruppe. Das Ziel des Projektes ist es, möglichst viele Menschen in echten Kontakt zu bringen, damit wir uns gegenseitig regulieren, helfen und heilen können. Gopal hat einen Prozess definiert, bei dem sich Menschen in kleinen Gruppen treffen und ehrlich miteinander kommunizieren. Durch die fest vorgegebene Struktur, kann jeder eine lokale Gruppe gründen, man muss dazu kein Therapeut sein.
Selbsthilfe in der Lokalen Gruppe
Ich habe all meinen Mut zusammengenommen und eine lokale Gruppe in Dresden gegründet. In der Gruppe geht es im Prinzip um zwei Dinge: sich mitteilen und gehört werden
Klingt einfach, ist es aber nicht. Im Alltag sind wir meist unbewusst und oberflächlich im Kontakt mit Menschen. Wir reden selten darüber, wie es uns gerade wirklich geht, über unsere Bedürfnisse und unsere Gefühle. Vieles von dem, was wir nach außen kommunizieren, stimmt nicht mit unserem Inneren überein. Wir sind oft nicht ehrlich oder stumm, weil wir Angst haben, falsch zu sein, verletzt zu werden oder verlassen zu werden. Es ist die Angst, mit dem was wirklich in uns ist, abgewiesen zu werden. Dies sind oft implizite Annahmen, die aus der Kindheit stammen. Als Erwachsene haben wir im schlimmsten Fall überhaupt nicht gelernt, uns ehrlich auf tiefster Ebene mitzuteilen. Stattdessen verleugnen oder unterdrücken wir unsere Empfindungen und Gefühle. Das ehrliche Mitteilen ist das Gegenprogramm, es ist immer heilsam und vertieft unsere Beziehungen.
Am Anfang fiel mir das ehrliche Mitteilen in der Gruppe sehr schwer, es erforderte viel Mut und Überwindung. Schweigen und Erstarren, war das, was ich kannte. Der festgelegte Rahmen und die Gemeinschaft mit Menschen, die es auch üben wollen, gaben mir mehr und mehr Sicherheit.
Neue Erfahrungen im Kontakt
In der lokalen Gruppe sitzen wir im Kreis und jeder Teilnehmer hat die Möglichkeit 10 Minuten über seine Gedanken, Gefühle und Körperempfindungen zu sprechen. Es geht darum, sich zu zeigen, mit allem was gerade ist, keine Geschichten. Alles darf da sein. Die Gruppe hört aufmerksam zu, es wird nicht kommentiert und schon gar nicht bewertet. Das wirkliche Zuhören der anderen Teilnehmer ist ein wichtiger Teil des Prozesses. Nur die Kombination aus Mitteilen und Gehört werden, ist heilsam.
Jeder bleibt bei sich und alle Mitteilungen erfolgen in der Ich-Form. Das kann zum Beispiel so aussehen:
Gedanken: ich bin verwirrt, mein Kopf hat die Idee, dass …
Gefühle: ich fühle gerade starken Hass, ich fühle gerade nichts, ich fühle mich hilflos und ohnmächtig, ich schäme mich, ich fühle mich gerade alleine
Körperempfindungen: in meinem Bauch kribbelt es, mein Nacken ist angespannt
Nach meiner Erfahrung vermindert jede ehrliche Mitteilung den Stress im Körper und sorgt für Erleichterung und Entspannung. Die erwartete Ablehnung bleibt aus und ich mache nach und nach die neue Erfahrung, damit da sein zu dürfen und nicht abgewiesen zu werden. Eine Erfahrung, die ich in der Kindheit nicht machen durfte. Den anderen Teilnehmern geht es ähnlich.
Vertiefung von Beziehungen
Ich leite die lokale Gruppe jetzt seit über einem Jahr. Mein Leben hat sich in dieser Zeit sehr gewandelt. Ich habe Freunde gefunden, die ich vorher nicht hatte. Ich erfahre tiefe Verbundenheit, so wie ich sie vorher in meinem Leben noch nie erlebt habe. Meine sozialen Ängste werden weniger. Auch in meiner Partnerschaft praktiziere ich mittlerweile täglich den ehrlichen Austausch. Je mehr ich bereit bin, mich zu zeigen, je mehr ich bereit bin, meine Mauern aus Angst und Enttäuschung einzureißen, desto mehr Verbindung und Nähe wird möglich. Durch die Erfahrungen in der Gruppe habe ich mittlerweile so viel Sicherheit gewonnen, dass ich das mehr und mehr in den Alltag tragen kann.
"Ehrliche Kommunikation ist Energiefluss und Energiefluss ist das, was wir Glück nennen. Es ist das Schlüsselprinzip für wundervolle Beziehungen und ein erfülltes Leben."
Gopal Norbert Klein
Veränderung heißt oft, Dinge gegen den inneren Widerstand einfach zu tun. Hätte ich damals auf meine Angst gehört, dann hätte ich jetzt nicht diese wunderbaren Erfahrungen von Heilung und Verbundenheit.
Das Aufbrechen aus Gewohntem ist in einer Gemeinschaft sehr viel leichter als alleine. Durch die Organisation der Selbsthilfe in Gruppen entsteht ein Gefühl des Miteinander. Ich bin nicht alleine damit, viele Menschen gehen diesen Weg. Es gibt deutschlandweit schon mehrere hundert Gruppen und es werden immer mehr.
Weitere Informationen
Eine Übersicht aller lokalen Gruppen und weitere Informationen zum Projekt findest Du auf der Webseite von Gopal:
www.traumaheilung.net/lokale-gruppen